Feuersnot und Feuerschutz in Alt-Ölper
Auf dem eichenen Tragebalken über dem Vorschauer eines Bauernhauses in Ölper stehen die Worte: Wir bauen nicht aus Stoltz und Pracht, Feuersnot hat uns dazu gebracht durch einen wetterschlag am 21. Juni 1828. I. C. Oppermann, I. D. Oppermann.
Dem gleichen Unwetter fiel auch durch Blitzstrahl noch das Anwesen ass. Nr. 60 zum Opfer. Damals eilten die Mitglieder des Braunschweigischen Löschvereins mit Löscheimern zu Hilfe und halfen freiwillige Spender den ihrer Habe Beraubten, als sich der Prediger zu Ölper, J. J. L. Müller, in den Braunschweigischen Anzeigen an die Bevölkerung mit folgendem Aufruf gewandt hatte:
Durch den furchtbaren Wetterschlag, welcher am 21sten Juni zwei Gebäude in Oelper zu gleicher Zeit zündete und in wenigen Augenblicken niederbrannte, sind mehrere Familien plötzlich in das größte Elend versetzt. Sie haben mit ihren Wohnungen fast alle ihre Habe verloren; was in vielen Jahren durch Fleiß und Sparsamkeit gesammelt war, ist ihnen genommen. Kleiderstücke, Wäsche, Leinen, Betten, Hausgerät - alles ist größtenteils ein Raub der Flammen geworden. Nur weniges ist gerettet. Ihre Umstände sind von der Art, daß es ihnen selbst schwer fällt, auch nur die ersten Bedürfnisse zu befriedigen. Es bleibt ihen daher nichts übrig, als daß sie vertrauensvoll zu der teilnehmenden Menschenliebe anderer ihre Zuflucht nehmen wollen, daß ich sie diesen so dringend als bescheiden empfinde. Dies darf ich mir um so zuversichtlicher erlauben, da schon der Anblick menschlicher Ohnmacht bei den Wirkungen der zerstörenden Kräfte der Natur so nachdrücklich für sie redet. Auf ihre Bitte hat Herr Holzberg, wohnhaft auf dem Aegidienmarkt Nr. 2417, sich bereit erklärt, jede Gabe zu ihrer Unterstützung in Empfang zu nehmen und zu ihrem Besten zu verwenden.
"Rühmliche Anerkennung" zollte die gleiche Zeitung am 12. April 1837 den Gemeinden Lehndorf, Veltenhof, Watenbüttel, Rühme, besonders aber den Dibbesdorfer und Volkmaroder Mannschaften, die trotz der Entfernung verhältnismäßig früh bei einem Brande in Ölper angelangt seien.
Was sagen uns heute diese über 125 Jahre alten längst vergessenen Begebenheiten? Sie machen uns bewußt, daß die Dorfbewohner von einst, die hinter Fachwerk und unter strohgedeckten Dächern einer Feuergefahr mehr als heute ausgesetzt waren, jederzeit zu einer selbstverständlichen nachbarschaftlichen und auch überörtlichen Hilfeleistung bereit waren. Die ersten Löschmethoden mit Einreißhaken und Feuereimern, die durch "der Hände lange Kette" von der Wasserstelle zum Brandherd und von dort zurückgereicht wurden, war allerdings nach heutigen Vorstellungen recht primitiv. Auch die 6 ledernen Feuereimer und die 6 Handspritzen, die laut Verfügung des Geistlichen Amtes in Braunschweig vom 7. Dez. 1763 in der Kirche von Ölper aufbewahrt werden mußten, sowie der stets mit Wasser gefüllte Tubben in der Kirchtumspitze dürften nur geringe Wunderwirkung gehabt haben. Die Dinge änderten sich allmählich seit der Erfindung eines Augsburger Goldschmieds, der 1518 eine zweizylindrige Kolbenpumpe auf Räder gesetzt hatte; er schuf damit die Grundkonstruktion unserer Handdruckspritze. 1610 kaufte die Stadt Braunschweig die erste fahrbare Feuerspritze; um 1700 gab es dort ihrer schon 10. Anfang des vorigen Jahrhunderts, also lange vor der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr, besaß auch Ölper schon eine "Ortsfeuerspritze", zu deren Bezahlung die Kirche 1826 einen aktenkundig belegten Beitrag von 17 guten Groschen entrichtete. Da diese Spritze noch nicht selber ansaugen konnte, blieb die Eimerkette nach wie vor unentbehrlich; sie lieferte von der Oker her das Wasser in einen innen mit Blech ausgeschlagenen, hölzernen Kasten, aus dem das Pumpwerk durch ein langes Wenderohr einen Wasserstrahl unmittelbar auf den Brandherd spritzte.
Chr. Oppermann
Feuerwehrhauptmann
in Ölper bei 1885
Vor 125 Jahren trat nun ein Wandel in unserem braunschweigischen Feuerlöschwesen ein: War bisher bei einem Brande jeder mit einem Feuereimer ausgerüstete Hausbesitzer zur Hilfeleistung verpflichtet, so schlossen sich nunmehr auf freiwilliger Basis junge Menschen in freiwilligen Feuerwehren zusammen, bereit, jederzeit ohne Gegenleistung Nächstenhilfe zu üben. Ölper war nach Klein-Stöckheim und Groß Denkte das dritte Dorf im Lande Braunschweig, das die Gründung einer freiwilligen Feuerwehr vollzog. Mit welcher Hingabe sich die Dorfbewohner dem neuen Gedanken verschrieben, läßt sich heute noch in den "Notizen" des damaligen Schriftführers der Feuerwehr, des Kantors E. Krüger, nachlesen; er schrieb:
Am 9. Februar 1870 machte am Schluße der alljährlich stattfindenden Gemeindeversammlung der Gemeindevorsteher Ch. Oppermann Nr. 14 der versammelten Gemeinde den Vorschlag, eine freiwillige Feuerwehr zu gründen und forderte zugleich die Anwesenden auf, sich darüber zu äußern. Nachdem einige zustimmende Äußerungen erfolgt waren, stellte der Vorsteher die Frage, ob überhaupt jemand dagegen sei. Allgemeines Schweigen bestätigte die allgemeine Zustimmung.
Am Sonntag, dem 13 Febr. 3.00 Uhr nachmittags, nahm der Gemeinderat im Ölper Turm die Anmeldungen zur Feuerwehr entgegen. Innerhalb weniger Tage stand die Liste der 40 Mitglieder fest (9 Hofbesitzer, 5 Brinkbesitzer oder Anbauer, 15 Söhne von Hofbesitzern, 10 Häuslinge, 1 Lehrer). Unmittelbar nachdem die neuen Satzungen beschlossen waren, wurde "unter allgemeiner Zustimmung durch Acclanlation" der Turmwart C. Tondorf zum Ersten "Commandanten" gewählt, sein Stellvertreter wurde Kotsaß J. Bosse N 17. Aus einer Stimmzettelwahl gingen die 4 Spritzenmeister hervor; es waren dies Brinksitzer Ch. Oppermann Nr. 46, Tischler J. Tiehe Nr. 54, Zimmermann L. Frömling Nr. 96 Großkotsaß J. Oppermann Nr. 12.
Hiernach verteilten die 4 Spritzenmeister die Feuerwehrleute unter sich dargestalt, daß jeder Spritzmeister 8 oder 9 ihm zunächst wohnende Feuerwehrleute bei ausbrechendem Feuerlärm leich und schnell - Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr - an den Dienst rufen könne. Endlich erfolgte der Beschluß, daß die Feuerwehr von Sonntag, dem 20. Febr. 1870, an als im Dienst stehend sich betrachtete, ohne erst die Ausrüstung abwarten zu wollen. Am Sonntag, dem 20. Febr., wurde vom Vorsteher der vor der Kirche nach Schluß des Gottesdienstes versammelten Gemeinde mitgeteilt, daß nun die Feuerwehr als wirklich gebildet in den Feuerdienst eintrete.
In den nächsten Wochen herrschte Hochbetrieb. Neue Jobben und Helme, Gürtel, Leinen und Äxte, aus der Gemeindekasse bezahlt, wurden ausgeteilt, zahlreiche Übungen wurden veranstaltet. Als am 10. April, die Feuerwehr zum ersten Mal in voller Ausrüstung probte, gab es einen "großen Zudrang fast des ganzen Dorfes". Am nächsten Sonntag - es war der erste Ostertag - übte man abends vor dem Turm, der "in bengalischer Beleuchtung erstrahlte". Schon zwei Tage darauf konnte die aslo vorbereitete Mannschaft ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Lassen wir Krügers Aufzeichnungen folgen:
Dienstag, d. 19. April 1870, zweiter Rettungsauszug nach Veltenhof nachts 11 Uhr 30 in voller Ausrüstung. Es brannte ein Haus. Die Spritze von Watenbüttel begegnete uns schon vor Veltenhof auf der Rückfahrt begriffen, und waren außer uns die Pritze von Rühme und Veltenhof an der Brandstätte. Doch schien es, als sollte das Haus rein ausbrennen. Nachdem wir jedoch ernstlich Hand anlegten und zum zweiten Male unsere Spritze, sie zu füllen, zurückführten, folgten uns auch die beiden anwesenden Spritzen. Unsere Steiger arbeiteten frisch, und sind auch noch Flachs, eine Flinte und andere Kleinigkeiten gerettet, und nachdem unsere Spritze dreimal, die übrigen jede zweimal gefüllt und ausgespritzt waren, ließ sich nur schwer noch eine Kohle aus der Brandstätte entdecken. Darauf wurde in der Wirtschaft ein Faß Bier getrunken - und mit Sang und Klang marschierten wir morgens 3 Uhr wieder in Ölper ein.
Ja, die Feuerwehr war auch eine Stätte kameradschaftlichen Frohsinns, die Jahrzehnte hindurch der dörflichen Gemeinschaft sehr viel bedeutet hat!
Im ersten Jahr ihres Bestehens rückte die ölpersche Feuerwehr fünfmal aus. Ein nächtlicher Feuerschein am Horizont genügte um eine eilige Ausfahrt auszulösen. Am Abend des 25. November 1870 mußte sie z. B., vor Wendeburg angekommen, von zurückkehrenden Wehren erfahren, daß es in Duttenstedt brenne! Man machte kehrt; ein Umtrunk in Watenbüttel entschädigte für den Ausfall der Löscharbeiten.
Nach den Aufzeichnungen des Kantors Krüger und des langjährigen Feuerwehrhauptmanns Hermann Oppermann (1901-1932) war unsere Ortsfeuerwehr in der Zeit von 1871 bis 1909 59 mal an einer Brandbekämpfung beteiligt. Welch selbstloser Einsatz, oft zu nächtlicher Stunde bewährt, verbirgt sich hinter einer solchen nüchternen Zahl! Weithin gingen die Rettungsfahrten der pferdebespannten Spritze mitsamt dem Mannschaftswagen bis Broitzem und Thune, bis Wendeburg und Querum. Auch in Ölper mußte gelöscht werden. Augenzeugen erinnern sich noch an den Großbrand der Ölper Mühle. Im Jahre 1872 erhielt in dem neuerrichteten Spritzenhause eine neue Spritze (Preis 800 Taler) ihre Bleibe.
Gedenkstein zum
neuerrichteten
Spritzenhaus in Ölper
Wir Älteren haben sie noch gekannt, die gute alte Handdruckspritze, auch in ihrem oft sieg reichen Wettstreit mit der 1902 angeschafften moderneren metallblinkenden Spritze oder den zur Bezirksübungen angetretenen Wehren aus Lehndorf und Lamme. Wenn die Spritzenmannschaft nach der Oker hinuntergezogen waren, die Saugschläuche verschraubt hatten und das Schlauchende mit dem dicken Weidenkorb klatschend in Wasser gefallen war, standen da auch schon acht Mann an jeder Druckstange, und nach dem Kommando: "Wasser - drauf!" fuhr der Druckbaum - rums, rums - auf und nieder. Die Kolben spielten, das Wasser spannte die Schläuche, und dann kantterte der Wasserstrahl aus dem Rohr, daß wir Kinder jubelten. Der rote Helmbusch des Bezirks- und Feuerwehrmanns, die blanken Steigerhelme und die blankgeputzten Messingraupen auf den Helmen der Obrigen gaben dem Schauspiel seinen besonderen Glanz. In dessen Schatten bemühten sich unter der Leitung von R. O. Meier nicht weniger verdienstvoll die zivielen Mitglieder der Pflichtfeuerwehr, an weißen Armbinden erkennbar und in Ölper "Dä Wittkittel" genannt. Sie bedienten lange Zeit die sogenannte alte Spritze von 1872 bis zu deren Überführung in das Braunschweigische Landes-Feuerwehrmuseum, wie sie 1944 bei den Luftangriffen ein Raub der Flammen wurde. Das Kriegsende riß auch die restlichen Löschmannschaften auseinander, die bis 1945 in dauerndem Einsatz standen, die einen unter der Führung von Brandmeister Hermann Führmann als Bedienungsmannschaft an einer Tragkraftspritze LF 7, die anderen unter der Leitung von Ernst Pülm beim sogenannten Sicherheits- und Hilfsdienst.
1870-1995. 125 Jahre Freiwillige Feuerwehr! Welch ein Wandel! Einst das alarmierende Tutehorn des Nachtwächters, die Eimerkette, die pferdebespannte Handdruckspritze, die Anstelleister, die mit roten Armbinden versehene freiwillige Ordnungswache (so in Ölper ab 1872!); heute die Feuersirene und das Telefon, die Hydranten, die Motorspritze, die dreiteilige Schiebeleiter, die polizeiliche Absperrung, die Berufsfeuerwehr. Es wäre allerdings bedauerlich, wenn mit der Perfektion der Technik und der schnell funktionierenden Organisation die so abgesicherten Menschen von heute Gefahr liefen, dem Ohne-mich-Standpunkt so sehr zu verfallen, daß die in der hundertfünfundzwanzigjährigen Geschichte einer freiwilligen Feuerwehr bewiesenen menschlichen Qualitäten nicht mehr selbstverständlich wären.
Verfasst von Dr. Hans Lindemann
anlässlich 125 Jahre Freiwillige Feuerwehr Ölper im Februar 1995
Ortsbrandmeister
- Otto Boden
- Klaus Oppermann
- Günther Wilkes
- Michael Dietrich
- Stefan Uster